Interview mit Johanna Voß (DIE LINKE): Bundesregierung und Netzbetreiber hinken Breitbandzielen hinterher

Im Rahmen seiner Interview-Reihe „LTE-Ausbau Deutschland – Politik und Wirtschaft nehmen Stellung“ befragt 4G.de in den nächsten Wochen Fachpolitiker sowie Vertreter aus Wirtschaft und von Interessenverbänden ausführlich zum Thema LTE. Unsere heutige Interviewpartnerin ist Johanna Voß (DIE LINKE). Die Abgeordnete gehört seit 2010 dem Deutschen Bundestag an und vertritt dort den Wahlkreis Lüchow-Danneberg und Lüneburg. Voß ist Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie. Zu der politischen Arbeit in ihrer Partei gehören u.a. die Themen Netzausbau und Breitband/Telekommunikation.

Johanna Voß (DIE LINKE)

Johanna Voß (DIE LINKE): Bundesregierung und Netzbetreiber hinken Breitbandzielen hinterher

4G.de: Vor wenigen Wochen haben die deutschen Netzbetreiber die Weißen Flecken in Brandenburg geschlossen. Damit haben die Netzbetreiber ihre Versorgungsverpflichtungen in allen 13 Flächenbundesländern erfüllt. Der LTE-Ausbau in den ländlichen Gebieten wurde, wie von der Bundesnetzagentur erwartet, noch im Jahr 2012 abgeschlossen. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund den LTE-Ausbau auf dem Land?

Johanna Voß: Natürlich ist es eine Verbesserung für die Menschen im ländlichen Raum, dass sie durch den LTE-Ausbau nun endlich Zugang zum schnellen Internet haben. Dennoch kann ich mich dem Jubel der Bundesregierung nicht anschließen. Denn eigentlich wollte die Bundesregierung schon bis Ende 2010 eine flächendeckende Breitband-Grundversorgung schaffen. Und auch die Mobilfunkunternehmen sind ihren eigenen Zusagen um ein Jahr hinterher. Sie hatten angekündigt, die bestehenden Versorgungslücken schon im Laufe des Jahres 2011 zu schließen (vgl. Bundestags-Drucksache 17/5588). Außerdem umfassen die Versorgungsverpflichtungen der Netzbetreiber nur 90% der Haushalte der jeweiligen Prioritätsstufe. Die Gleichung „Versorgungsverpflichtung erfüllt = Schließung der Weißen Flecken“ geht also nicht ganz auf. Das bleibt in der gesamten Berichterstattung unerwähnt. Gerade für die verbleibenden Haushalte sind die Anschlusskosten am höchsten. Die Frage ist: Wie werden auch diese Haushalte ans schnelle Internet gebracht? Und wie wird verhindert, dass die Telekommunikationsunternehmen vor allem in Ballungsgebieten beträchtliche Gewinne einfahren, während der Steuerzahler über Fördermaßnahmen für das Schließen der Weißen Flecken in ländlichen Gebieten aufkommen muss?

Was mittlerweile aber immer wichtiger wird, sind Bandbreiten über die Grundversorgung hinaus. Solch hohe Übertragungs­geschwindigkeiten werden über mobiles Breitband nicht zuverlässig erreicht. Die Qualität hängt entscheidend von der Geländebeschaffenheit, den Interferenzen (z.B. durch das Wetter), der Nähe zum Funkmast und vor allem davon ab, wie viele Anwender gleichzeitig eine Funkzelle nutzen. Neben diesen technischen Nachteilen wird in vielen Verträgen das Datenvolumen beschränkt.

LTE kann nur eine Ergänzung zum Festnetz-Breitband sein. Ich plädiere daher weiterhin für die Aufnahme von Breitband-Anschlüssen in den Universaldienstkatalog. Die zu bestimmenden und regelmäßig anzupassenden Eigenschaften sollen neben der Bandbreite auch qualitativer Art sein, weil das Zusammenspiel von Bandbreite (Download und Upload), Latenz und Verfügbarkeit entscheidend ist. Mit der Universaldienstverpflichtung ist sichergestellt, dass der in den Ballungszentren erzielte Gewinn in den Netzausbau im ländlichen Raum fließt. Wie bei Festnetz-Telefonanschlüssen hätte damit jede Bürgerin und jeder Bürger das einklagbare Recht auf einen Breitband-Internetanschluss.

4G.de: Für viele Menschen auf dem Land stellt LTE einen DSL-Ersatz dar. Nicht alle Netzbetreiber bieten die maximale Übertragungsrate der Digitalen Dividende (800-MHz) von bis zu 50 Mbit/s an. Alle LTE-Tarife sind an ein Inklusivvolumen gebunden, nach dessen Verbrauch die Surfgeschwindigkeit deutlich gedrosselt wird. Stellt Ihrer Ansicht nach LTE in den ländlichen Gebieten einen vollwertigen DSL-Ersatz dar?

Johanna Voß: Nein, LTE ist kein vollwertiger Ersatz zu festnetzgebundenen Breitband-Anschlüssen. Die Qualität kann einfach nicht mithalten. Mobiles Internet mag für Handy oder Notebooks geeignet sein, für die Internetverbindung zu Hause oder im Büro sind kabelgebundene Anschlüsse jedoch der einzige zukunftsfähige Weg. Die Nachfrage nach schnellem Internet wird anziehen, weil sich digitale Anwendungen weiter durchsetzen. Spätestens dann wird sich die Laissez-faire-Politik der jetzigen Bundesregierung rächen.

4G.de: Unternehmen und Selbstständige auf dem Land sind auf schnelle Breitbandverbindungen angewiesen. LTE-Tarife für Geschäftskunden unterscheiden sich nicht wesentlich von den Produkten für Privatkunden. Auch diese Datentarife sind an ähnliche Übertragungsraten und Datenvolumen gebunden. Wie beurteilen Sie LTE als Breitbandlösung für Unternehmen und Selbstständige in ländlichen Regionen?

Johanna Voß: Für Unternehmen und Selbstständige ist die unzureichende Breitbandversorgung auf dem Land ein entscheidender Nachteil. Bei einer vom hessischen Wirtschaftsministerium 2011 veröffentlichen Umfrage bezeichneten zwei Drittel der Unternehmen die Verfügbarkeit von Breitband-Zugängen als sehr wichtig bei einer Standort-Entscheidung. Ich bleibe dabei: Wir brauchen flächendeckend festnetzgebundene Internet-Anschlüsse.

Fazit 4G.de:

Johanna Voß (DIE LINKE) verweist darauf, dass Bundesregierung und Mobilfunkanbieter beim Breitbandausbau hinter ihren ursprünglichen Zeitplänen lägen. Gerade der LTE-Ausbau auf dem Land sollte laut Zusagen der deutschen Netzbetreiber bereits 2011 beendet sein. Sie beruft sich dabei auf eine „Große Anfrage der SPD“ (Bundestags-Drucksache 17/5588). Die Bundesregierung antwortete in der Drucksache vom 14.04.2011 auf die Frage 37:

Welche Breitbandangebote und Abdeckungen erwartet die Bundesregierung durch den Mobilfunk in ländlichen Regionen?

Neben der Fortsetzung geförderter Breitbandvorhaben sowie des marktgetriebenen Ausbaus ist in ländlichen Gebieten, insbesondere durch den Einsatz der LTE-Mobilfunktechnologie (Long Term Evolution), aufgrund der Versorgungsauflagen für Frequenzen aus dem 800-MHz-Bereich mit einer raschen Zunahme der Breitbandversorgung zu rechnen.

Die Erwerber der Frequenzen sind verpflichtet, LTE mit 800-MHz-Frequenzen zunächst im ländlichen Raum auszubauen. Damit wurde bereits 2010 begonnen. Die Betreiber haben zugesagt, bis Ende 2011 die letzten Versorgungslücken zu schließen.

Diese Einschätzung der Bundesregierung erfolgte dabei zu einem Zeitpunkt, als die Versorgungsverpflichtungen der Netzbetreiber noch in keinem der 16 Bundesländer erfüllt waren. Die Weißen Flecken in den ersten Flächenbundesländern wurden im September 2011 geschlossen. Neben der Kritik an den verpassten Breitbandzielen bemängelt Voß, dass die Netzbetreiber nur 90% der Weißen Flecken in den ländlichen Regionen schließen müssten, damit ein Bundesland als versorgt gilt und womit immerhin 10% der Haushalte weiterhin unversorgt blieben. Mobile Breitbandverbindungen seinen dazu aufgrund schwankender Übertragungsraten zu unzuverlässig und stellten keinen vollwertigen DSL-Ersatz dar. Voß setzt stattdessen für Privatpersonen und Unternehmen auf kabelgebundene Anschlüsse. Dieses Festnetz-Breitband solle Teil des Universaldienstkatalogs werden, worin allen Bürgern eine schnelle Breitbandversorgung mit klar definierten Eigenschaften zugesichert werden sollte.

Wir danken Johanna Voß vielmals für das interessante Interview und freuen uns auf einen regen Meinungsaustausch der 4G-Leser dazu.

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